Ironman 70.3 in Xiamen (China), Jan war dabei

von Jan Roeder

Die MTC-Mitglieder mögen mir verzeihen, wenn ich an dieser Stelle noch einmal auf die Hintergründe des doch ungewöhnlichen Wettkampfortes für eine Halbdistanz eingehe.

Vor 2 Jahren nach der Triathlon-Langdistanz in Podersdorf haben Doreen (meine Partnerin) und ich das Unternehmen "Hawaii-Quali" ins Leben gerufen. Der Plan war, sich mit entsprechend langer Vorlaufzeit leistungsmäßig so in Schwung zu bringen, daß es für eine Hawaii-Quali in der AK 50 reicht. Die Vorbereitungen liefen gut, so daß ich mich für den Ironman Schweden in Kalmar angemeldet habe. Leider hatte ich aber Mitte Juli einen Sturz mit dem Rad, bei dem ich mir das rechte Schlüsselbein brach. Und das 4 Wochen vor dem Wettkampf. Eine Teilnahme haben wir abgeschrieben.

Noch während meines Klinikaufenthaltes bekam ich eine Mail von IRONMAN (wenn man da einmal registriert ist, wird man zugebombt ...). In dieser Mail stand, daß das Label IRONMAN verstärkt Triathlonwettbewerbe in China veranstalten möchte. Als erste Wettkämpfe wurden der Ironman 70.3 in Hefei und der Ironman 70.3 in Xiamen ausgeschrieben. Um diese beiden neuen Wettkämpfe interessant zu machen, hat IRONMAN 50 Hawaii-Slots für Hefei und 40 Hawaii-Slots für Xiamen ausgeschrieben. Man konnte sich hier also mit einer Halbdistanz für die Langdistanz auf Hawaii qualifizieren. Ein Blick in den Kalender sagte mir, daß es bis zum IM in Xiamen noch 16 Wochen sind. Also genügend Zeit, um sich nach dem Unfall zu erholen und die Fitneß wieder auf ein passables Niveau zu heben. Ein Blick in die Streckenbeschreibung machte den Wettkampf in Xiamen immer interessanter. Schwimmen bei 18 Grad Wassertemperatur, also in jedem Fall mit Neo. Radstrecke mit 2 Runden, ein Wechselkurs ohne große Verwinkelungen mit insgesamt 90 hm. Also flach und gradlinig, soooo wie ich es liebe. Dann auch die Laufstrecke flach mit 35 hm ... . Ich war begeistert, sprach aber das Vorhaben in Ruhe mit Doreen durch. So "ganz nebenbei" hat sie dann mal nach Hotels in der Nähe der Wechselzone geschaut und mögliche Flüge gecheckt. Alles im grünen Bereich und ohne größere Aufwendungen möglich. Nachdem von Ihr dann auch das o.k. kam, habe ich mich angemeldet.

 

Erster Tagebucheintrag:

Heute ist Sonntag der 06.11., also schon der 4. Tag in Xiamen. Ich schaue jetzt zunächst einmal auf die Ereignisse vom Tag unserer Ankunft bis zum heutigen Tag zurück.

Der Flug ging von Berlin über Amsterdam direkt nach Xiamen. Wir hatten dort insgesamt 5 Stunden Aufenthalt. Das war aber nicht weiter schlimm, da es mit der Flugverbindung (natürlich) nicht ohne weiteres geklappt hat. Gebucht wurde der Flug von Berlin nach Xiamen komplett über KLM, allerdings übernahm Xiamen Air ab Amsterdam das Zepter. Wir hatten im Vorfeld bei der Buchung schon so ein ungutes Gefühl, da der Radtransport nur von Berlin nach Amsterdam bestätigt worden ist. Auf Nachfrage beruhigte man uns aber mit " ... das geht schon so in Ordnung ... ." Und das war dann (natürlich) nicht so. Das Buchungssystem erkannte uns nicht, so daß wir an den Schalter mußten. Hier erklärte man uns, daß die Schnittstelle zwischen KLM und Xiamen Air nicht richtig funktioniert, so daß dann alles noch einmal manuell eigegeben werden mußte ... Na ja. Bordkarten hatten wir nun, blieb nur noch die Sorge um das Gepäck. Denn das sollte von Berlin ja durchgeleitet werden.

Nach einem 11-stündigen, unspektakulären Flug sind wir dann gegen 6.30 Uhr Ortszeit in Xiamen gelandet. Gepäck und Rad waren da, also alles in Ordnung. Überraschenderweise sind dann aber als Taxis keine Kleinbusse oder Kombis verfügbar gewesen, nur schrottige Hyndai- und Kia - Limousinen unbekannten Namens. Nach einigem hin und her haben wir den Radkarton auf die Rücksitzbank gezottelt bekommen und sind dann mit 2 Taxen zum Hotel gefahren. Hier hatte die Buchung geklappt, der erste Schritt der Reise war also erfolgreich. Das Hotel

Da zwischen Xiamen und Deutschland 7 Stunden Zeitverschiebung sind und wir uns ja dem örtlichen Tagesrhythmus anpassen mußten, sind wir bis zum Abend wach geblieben und waren dann natürlich entsprechend "breit". Beim Radaufbau gab es noch eine kleine Panikattacke, da die elektronische Schaltung nicht mehr funktionierte. Eine nicht korrekt gesteckte Verbindung zum Akku war die Ursache, also kein großes Problem.

 

Tag 2 und Tag 3:

Mir ging es nicht gut, Jetlag vom Feinsten. Besonders bis zum frühen Nachmittag fühlte ich mich hundeelend. Dazu kam das ungewohnte Essen zur für den Körper noch ungewohnten Zeit. Wir sind nur ein wenig herumgelaufen und haben die Gegend erkundet. Auf den ersten Blick beeindruckend, auf den 2. Blick aber mehr Schein als Sein. Nach dem Rundgang ging es gleich wieder in die Waagerechte. Die ersten beiden Nächte waren der Horror. Schweißausbrüche, dann frieren mit kalten Füßen ... Im Bauch rumpelte es ... furchtbar. Doreen hat die Umstellung ganz gut verkraftet und konnte mich zum Glück etwas "bemuttern".

Heute, am 4. Tag,

ging es mir ab Mittag dann etwas besser. Wir sind an den Strand gegangen, ich wollte eine Runde schwimmen. Das Wetter ist seit unserer Ankunft ganz gut, fast etwas zu warm (26-28 Grad). Entsprechend warm war auch das Wasser im Meer, so um die 23 Grad würde ich schätzen. Ich zog den Neo an und ging rein. Es hat weiter dort niemand gebadet, obwohl einiges an Menschen am Strand gewesen ist. Als ich dann mit den Füßen drin war, wußte ich auch warum. Das Wasser war so verschmutzt, daß ich selbst bei Knöcheltiefe meine Zehen nicht mehr sehen konnte. Na gut, wer den Balaton oder den Neusiedler See kennt ... die beiden Gewässer sind durch den hohen Schwebestoffanteil ja auch recht trübe. Und so habe ich mir das beim Reingehen dann auch schöngeredet. Was aber dann kam, schockierte mich schon etwas ... der unverwechselbare Geruch. Unser Sportsfreund Thomas H. hätte da gesagt: "Jaaaa, sooo muß eine Kläranlage riechen, dann ist sie in Ordnung". Er kennt sich da von seinem Beruf her aus und hat diesen Satz schon das eine und andere Mal zitiert. Da ging es dann bei der MTB-Sonnabendrunde an den Kläranlagen von Gerwisch vorbei ... . O.k., dachte ich mir, jetzt bist Du schon mal umgezogen und im Wasser, jetzt ziehst Du das auch durch. Ich schwamm ca. 100 m vom Ufer weg, da verging dann auch der Geruch etwas. Das trübe Wasser blieb aber. Also wenn ich mir heute keine Keime geholt habe die mich umhauen, werde ich hier wohl nicht mehr krank werden. Das war schon ganz schön heftig. Und in dieser Brühe sollen wir hier am kommenden Sonntag schwimmen ... oh je. 

 Zum Glück hat das Hotel ein 25 m - Innenbecken. Mal sehen, ob ich mir das Freiwasserschwimmen noch mal antue. Vielleicht wälzt sich das Wasser ja noch einmal um. Zumindest gibt es hier deutlich Ebbe und Flut, bestimmt 2-3 m Tidenhub.

Im Hotel sind noch nicht viele Athleten, nur ein Pärchen aus der Schweiz ist schon da. Bei denen ist sie die Sportlerin und er der Coach. Sie war gestern schon auf der Radstrecke und ist vom Belag ehrlich begeistert. Na ich werde je nach Befinden dann morgen mal aufs Rad steigen und berichten. Für den Rest des Tages statte ich dem hoteleigenem Fitneßstudio noch einen kleinen Besuch ab und werde dann wieder ruhen. Zu sehen gibt es hier sowieso nicht viel, womit unsereins die chinesische Kultur in Zusammenhang bringt.

Montag, 07.11., es ist der 5. Tag:

Wieder schlecht geschlafen und schweißgebadet aufgewacht. Nach dem Frühstück mußte ich mich schon wieder hinlegen, mir war total übel. Gegen Mittag wurde es dann etwas besser und ich raffte mich auf. Wollte ja auf's Rad. Doreen hat vor dem Hotel noch ein paar Fotos gemacht, Jani mit MTC - Montur in China.

  

Und dann ging es los. Die Strecke ist ein 4-6 -spuriger Highway, wo alles, was irgendwie fahren kann, auch fährt. Der Belag war wirklich ganz gut, ziemlich neu. O.k., ein paar Stellen, wo gepfuscht worden ist, waren leider auch da. Auch waren nicht alle Gullideckel der Fahrbahnhöhe angeglichen. Da war dann eben gleich mal ein 15 cm tiefes Loch. Ich will damit eigentlich nur sagen, daß trotz des guten Belages auch einige Problemstellen auf der Fahrbahn waren. Man muß halt aufpassen, wie überall.

In einer Stichstraße mit Wendestelle bin ich leider falsch abgebogen. Und was dann kam, wurde von einer lockeren Trainingseinheit zu einem Überlebenskampf. Ich bin von meiner falschen Spur nicht mehr weggekommen und mußte zwangsweise die immer noch 4-spurige Straße weiterfahren. Es ging dann durch einen Tunnel, welcher durch einen Berg führte. Mit 2 Unterbrechungen war dieser ca. 5 km lang. Das erste Teilstück fuhr ich hinter einem langsam fahrenden Bagger, welcher (natürlich) kein Licht hatte. Aber da dieser komplett die rechte Spur blockierte, war ich da relativ sicher. Einen Randstreifen gab es nicht. Den Rest des Tunnels machte ich dann Dampf, da die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 50 km/h betrug und ich so mitschwimmen konnte. Das Gute am Straßenverkehr hier ist, daß es niemand eilig hat. Alles gemächlich. Dafür gibt es aber nur rudimentäre Verkehrsregeln, an welche sich niemand hält. Jeder fährt so, wie und wo er will. Das erzeugt manchmal ein Chaos, welches sich in einem Hubgetöse dann aber sanft wieder auflöst. Bisher haben wir keine Unfälle gesichtet. Es muß sie aber geben, da insbesondere die Taxen oft ziemlich schlimm aussehen.

Dem Tunnel entflohen, bin ich dann in ein komplettes Verkehrschaos geraten. Richtig dichter Verkehr, mit ALLEM. Einschließlich Geisterfahrer als Auto oder Moped, Fahrrad oder Eselkarren. Ich mußte anhalten. Zum Glück hatte ich eine grobe Karte der Insel mit, auf welcher ich mich halbwegs orientieren konnte. Es vergingen aber noch ca. 30 bange Minuten, bis ich da heraus war und mich wieder auf der eigentlichen Wettkampfstrecke befand. Hier lichtete sich der Verkehr dann etwas. An keulen in Aeroposition war aber nicht zu denken. Ich habe die Runde dann vorzeitig abgebrochen, um Doreen mit meiner Verspätung nicht zu sehr zu beunruhigen. Es ist letztendlich alles gutgegangen, mir ging aber ganz schön die Muffe.

Zu Abend haben wir in einem Schnellimbiss gegessen. In Ermangelung von Besteck (andere Restaurants hatten dies) habe ich gezwungenermaßen gefressen wie ein Schwein. Ein Blick in die Runde ergab neugierige, aufmunternde und freundliche Gesichter vom Tresen. Ein Blick zum (chinesischen) Tischnachbarn sagte mir, daß ich auf dem richtigen Wege bin ... oh mein Gott ... .

Habe jetzt noch 40 Bahnen im Schwimmbecken gedreht und werde dann gleich an der Matratze horchen. Wir wollen ab morgen jetzt immer etwas früher aufstehen, um weiter in den Tagesrhythmus reinzukommen. Der Jetlag hängt mir immer noch an, Doreen hat das jetzt alles gut weggesteckt.

Morgen werde ich noch den anderen Teil der Radstrecke abfahren, dann aber hoffentlich ohne Adrenalinschübe.

 

Dienstag, 08.11., es ist der 6. Tag

Habe heute besser geschlafen als die letzten Tage. So richtig gut geht es mir aber immer noch nicht. Insbesondere nach dem Frühstück bin ich total schlaff. Habe mich dann aber doch aufgerafft und bin gegen 10.30 Uhr auf's Rad gestiegen.

Es ist jetzt erst 12 Uhr mittags. Ich komme gerade von der angekündigten Rad-Trainingsrunde und bin mit Eindrücken vollgepumpt, welche ich gleich, um die Emotionen nicht zu verlieren, niederschreiben möchte.

Zur Information: Der Radkurs ist eine einfache Wechselstrecke auf einem 4-6 spurigem Highway (also jeweils 3 Spuren pro Richtung mit einem Grünstreifen in der Mitte). Er geht bis auf einen 3 km langen Stich mit Wendestelle immer am Ufer lang. Es sind hier riesigen Kreuzungen, Ab- und Auffahrten, Wendestellen und auch einigen Ampeln vorhanden.  Tendentiell geht der Verkehr pro Spur immer nur in eine Richtung. An den Kreuzungen verlieren aber einige Autofahrer offensichtlich die Orientierung, so daß diese dann als Geisterfahrer unterwegs sind. Das wäre jetzt eine "positive" Erklärung. Ehrlich gesagt glaube ich aber, daß es sich hier einfach nur um Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Dämlichkeit handelt. Jeder fährt wie er will ... bis zur nächsten Abfahrt ... So wie auch heute wieder erlebt. Gefährlich sind auch Fahrzeuge, die auf einmal immer langsamer werden und dann einfach anhalten. Der restliche Verkehr schiebt sich dann irgendwie daran vorbei. Man stelle sich den Magdeburger Ring mit einer dritten Fahrspur vor, auf dem in der mittelsten Spur plötzlich ein Fahrzeug langsamer wird und anhält (!!!). Der Fahrer checkt in aller Ruhe sein Smartphone nach dem richtigen Weg, fährt dann einfach wieder los und zieht ohne zu blinken über die rechte Spur zur nächsten Abfahrt. Es ist unglaublich. Ich wurde heute drei Mal ausgebremst. Man überholte mich, setzte sich vor mich und wurde dann immer langsamer ... Bis zum Stillstand. Beim dritten Mal habe ich es dann gecheckt. Die Insassen wollten Fotos von und mit mir machen! Wahrscheinlich kam ich denen wie ein Außerirdischer vor, so mit Scheibenrad und Aerohelm. Ich war sprachlos.

Ich konnte heute etwas fester in die Pedale treten, auch mal in Aeroposition. Ob mit Wind oder Gegenwind, es ist ein schneller Belag. Vielleicht sind es aber auch die neuen Conti Grand Prix 4000 s II. ... Oder beides. Entscheidend wird das körperliche Befinden sein. Heute war extrem hohe Luftfeuchtigkeit, total diesig und zu wenig Sauerstoff in der Luft. Habe ganz schön gejapst und mußte Tempo rausnehmen. Die Renneinteilung wird mit entscheidend sein. An einigen Stellen stand die Luft und dieser wohlbekannte, unverwechselbare Geruch nach Kloake war wieder zugegen. Thomas H. hätte seine helle Freude gehabt.

Habe heute wieder keinen Radsportler auf den Straßen gesehen. Vor dem Hotel baut man jetzt langsam die Wechselzone mit dem Zieleinlauf auf. Also stattfinden wird hier wohl was. Fehlen nur noch die Athleten.

 

Mittwoch, 09.11., es ist der 7. Tag

Habe einigermaßen geschlafen, war aber nach dem Frühstück schon wieder schlaff. Es wird besser, aber halt langsam.

Sind heute vormittag mit dem Taxi in die City gefahren und haben uns ein paar Sehenswürdigkeiten angeschaut ... wenn man schon mal hier ist. War aber nichts Überwältigendes dabei.

Gestern nachmittag schlug das Wetter um. Es kam Wind auf, welcher schon stürmische Züge annahm. Die ganze Nacht wehte und heulte es. Wir wohnen hier im 15. Stockwerk, da kommt schon ganz schön was an.

Bin jetzt gerade von einer Joggingrunde zurück, auf der ich mal die Laufstrecke inspiziert habe. Vom Wasserausstieg bis zur Wechselzone geht es auf einem komplett zerschrappelten Fliesenweg entlang, ca. 300 m. Hier hat man von "Spezialisten" (ja, es gibt sie auch hier) in aller Eile die gröbsten Schlaglöcher und Unebenheiten mit Mörtel ausbessern lassen. Im Klartex: Man war bemüht (!!!), Pfusch mit Pfusch zu verbessern.

Aber da kommt dann ein schöner Teppich rauf, und schon sieht alles gut aus. Am Wasserausstieg ist man gerade dabei, eine Tribüne zu errichten. Aus irgendwelchen Schrott wird hier was zusammengenagelt, mit Brettern beplankt, dann mit Folie, Plüsch und Teppich behangen ... fertig. Es ist unglaublich. Andererseits stehen hier gerade mehrere riesige Sattelschlepper mit tausenden, augenscheinlich nagelneuen Absperrgittern.

Man ist dabei, die 3,5 km lange Lauf-Wendestrecke komplett abzusperren (was in Anbetracht der unberechenbar fahrenden Elektromopeds auch gut ist).

Für die Laufstrecke ist mentale Stärke gefragt, da sie fast komplett geradeaus verläuft und sehr weit einsehbar ist. War ca. 1h unterwegs, habe weder einen Jogger noch einen Radler gesehen. Gestern trudelte noch ein Paar aus Salzgitter hier ein, ansonsten sieht man von Athleten immer noch nicht viel.

Habe mich heute beim Lauf sehr gut gefühlt. Dank der Spezialbehandlung von unserem Heilpraktiker und Sporttherapeuten Thomas R. ist meine mehrwöchige Adduktorenverletzung fast völlig ausgeheilt. Hinzu kommt, daß ich nach den ersten beiden Tagen hier in Xiamen 3 kg abgenommen habe, so hat mich die Umstellung gestreßt. Mein Gewicht hat sich jetzt bei 75 kg eingependelt. Für den Wettkampf ideal, zugegebenermaßen sieht das aber bei meinen 1,89 m nicht mehr gut aus. Ab nächster Woche wird wieder gefressen und gesoffen, dann reicht mir das mit der "gesunden" Lebensweise erst einmal.

Werde nachher noch 'ne Runde im Pool planschen und dann wieder etwas zeitiger ins Bett gehen. Ich muß morgens besser in Gang kommen, sonst wird das am Sonntag eine Katastrophe.

Donnerstag der 10.11., es ist der 8. Tag

Wir sind jetzt schon eine Woche hier. Trotzdem wir hier nicht viel unternommen haben, verging die Zeit wie im Fluge. Sind heute um 7.00 Uhr aufgestanden. Das allgemeine Befinden war erst ganz gut, verschlechterte sich nach dem Frühstück aber rapide. Mir war so übel, daß ich mich gleich wieder 1 1/2 Stunden langgelegt habe. Da muß doch was mit dem Futter nicht in Ordnung sein.

Auf jeden Fall werde ich morgen eigene Getränke mit runternehmen. Ich habe ja den Kaffee im Verdacht. Na mal sehen. Beim Frühstück sind jetzt schon einige Triathleten sichtbar. Während wir noch in Zivil, quasi inkognito hier auftreten, rennen andere schon in Funktionsbekleidung, bunten Kappen und Ironman-Rucksäcken herum. Na ja, wer es braucht ... .

Nach meiner morgendlichen Schwäche habe ich mich noch einmal aufs Rad geschwungen. Es war ja schon Mittag und ich hatte die Hoffnung, daß die Allgemeinheit dann hier "am Trog" sitzt und etwas weniger Verkehr auf der Strecke ist. War dann auch so. Ich wurde "nur" 2x geschnitten, 2x ausgebremst und einmal abgedrängt. Gefährlich wurde es, als mir auf meiner Fahrspur 2 LKW als Geisterfahrer entgegenkamen. Da wurde es ganz, ganz eng. Bin 33 km gefahren und war trotz allem für meine Verhältnisse sehr schnell unterwegs. Am Renntag soll es heiß werden, ca. 28 Grad. Heute war es mit ca. 23 Grad sehr angenehm. Trotzdem hat mich die Runde angestrengt. Bei dem Klima hier können selbst die lumpigen 90 km sehr lang werden. Ich glaube, das Schwierigste wird sein, sich bewußt auf der ersten Runde zurückzuhalten. Ich werde es versuchen.

Nach Ende des Trainings habe ich mich mit Doreen an der Uferpromenade getroffen und auf einem Bänkchen etwas verschnauft. Leute, was dann kam ... man würde es nicht glauben, wenn nicht selbst erlebt: Ein Sportler, offensichtlich Triathlet ... schob sein Rad und rauchte dabei eine Zigarette. Als er uns sah, sprach er uns in ganz passablem Englisch an " ... Ironman ...? Yes ... !". Er war Chinese und der erste, mit dem man sich hier sehr gut unterhalten konnte. Und er hat dann geplaudert, es war interessant. Am meißten Angst hat er vom Schwimmsplit. Chinesen haben damit die größten Probleme, da es, gemessen an den vielen Menschen hier, einfach zu wenig Schwimmöglichkeiten gibt. Und das nicht nur für Sportler, sondern allgemein für alle. Er gab chinesischen Teilnehmern keine großen Chancen, da zu viele Europäer dabei wären (vielleicht 15%). Wir werden hier als sehr stark eingeschätzt. Er will jedenfalls um 17 Uhr im Ziel sein, das wäre dann nach mehr als 7 h. Sein Rad machte einen ungepflegten Eindruck, aber es war immerhin ein Trek mit 105-er Shimano und Conti-Reifen. Wir wünschten uns beiden viel Glück. Ich sagte ihm noch, daß wir uns an der Finish-Line treffen. Da lachte er nur und meinte, da wäre ich schon geduscht, hätte gegessen und mich schlafen gelegt. Na Humor hatte er jedenfalls.

Ich werde an der morgen stattfindenden Kennenlernrunde für die Radstrecke jedenfalls nicht teilnehmen. Habe das Glück jetzt 3x herausgefordert, damit will ich es belassen.

Abschließend sei noch bemerkt, daß der Güllegeruch heute auf dem gesamten Streckenabschnitt zugegen gewesen ist. Ich glaube, es gib hier nur eine Kläranlage, eine ganz große, eine natürliche, eine naturbelassene ... das Meer.

 

Freitag der 11.11., es ist der 9. Tag

Im Hotel ist es jetzt lebhaft geworden. Der Frühstückssaal war von Kompressionssockenträgern gut gefüllt. Habe den Kaffee jetzt durch selbstgekochten Tee ersetzt ... und es ging mir gut. Unternommen haben wir heute nicht allzuviel. Die Expo machte auf, wir haben etwas rumgeschnökert. Nichts dabei, was man nicht schon hat oder in Deutschland auch bekommen könnte. Interessant waren Carbonräder unbekannter chinesischer Marke. Zwar nicht high end, jedoch sauber verarbeitet und zusammengebaut. Allerdings sind auch das keine Schnäppchen. Aber immerhin, wenn die Dinger nicht irgendwoher kopiert worden sind, war das ein guter Wurf. Taiwan liegt ja gleich um die Ecke, und da kommt ja ein Großteil der Rahmen aller renomierter Marken her.

Haben heute ein Paar aus Deutschland getroffen, welches gerade eine Chinarundreise unternimmt. Die haben den Wettkampf in ihr Programm mit eingebaut. Das Rad hat er bei einem Aussteller der Expo im Vorfeld bestellt, als Leihrad für 3 Tage. Und es hat alles geklappt! Allerdings ging es ihm nicht besonders gut. Er war am Vortag schwimmen im Meer ... . Im gleichen Atemzug erzählte er mir, daß man vor 3 Wochen beim IM 70.3 in Hefei den gesamten See wegen der schlechten Wasserqualität umgewälzt und das Wasser ausgetauscht hat. Das hatte ich von zwei anderen Sportlern auch schon gehört. Selbst wenn nur die Hälfte davon stimmt, ist das unglaublich. Vor allem: Wie macht man das in dieser Größenordnung und wer bezahlt das alles?

Auch hier in Xiamen rund um die Wechselzone und am Schwimmein-/-ausstieg ist man jetzt ganz schön am rotieren. Da werden in aller Eile noch die gammligen Laternen an der Promenade gerichtet und schön weiß angepinselt. Auch sichtbare Dreckecken beseitigt man. Was nicht repariert werden kann, wird einfach mit Plüsch, Teppich, Wänden und Plakaten abgedeckt. Das können die Jungs hier echt gut.

Habe heute nur noch eine ganz kleine Trainingseinheit absolviert. Bißchen Ergobike, bißchen Laufband und 20 min im Becken. Alles ohne große Anstrengungen, so zum locker werden. Morgen werde ich körperlich nichts mehr machen. Nur noch das Rad kurz überprüfen, dann einchecken, futtern und zeitig zu Bett gehen.

 

Sonnabend der 12.11., es ist der 10. Tag

Habe mir das Rad noch einmal genau angesehen und zufällig die seit Monaten knarzende und mich nervende Stelle gefunden. Es ist das Scheibenrad. Stellte sich jetzt die Frage: Ausbauen und auf das Xentis Mark TT gehen? Oder volles Risiko. Es ist nur ganz schwacher Wind angesagt, also ideal für die Scheibe. Andererseits wäre ich mit einem Tausch auf der sicheren Seite.

Habe mich dann gegen einen Wechsel entschieden.

Also Umziehbeutel gepackt und ab zum Bike-Check-In. Der Wechsel erfolgt in 2 großen Zelten mit jeweils 2 langen Stuhlreihen und läuft folgendermaßen ab: Vor dem Bikeareal stehen lange Gerüste mit nummerierten Haken, an dem der jeweils erforderliche Wechselbeutel hängt (einen für schwimmen auf radeln und einen für radeln auf laufen). Man zieht sich im Zelt um und packt die getragenen Klamotten wieder in den Sack. Der fliegt dann nach dem Wechsel auf einen großen Haufen, das sortieren die Helfer alles wieder schön aus. Dann erst darf man zum Rad. In der eigentlichen Wechselzone selbst stehen nur die Räder. Man will damit erreichen, daß dort keine Klamotten herumliegen. Der Check-In war unspektakulär.

Habe an diesem Tag dann nur noch entspannt und am Abend drei Portionen Spaghetti verdrückt. Um 8.00 Uhr ging es ins Bett.

 

Sonntag der 13.11., es ist der 11. Tag, RACEDAY

Anders als sonst vor Wettkämpfen, habe ich hier fast durchgeschlafen. Um 6.00 Uhr ging es hoch, so daß ich mit Öffnung der Wechselzone um 7.00 Uhr pünktlich dagewesen bin. Alles fertiggemacht und zurück zum Hotel, ausgiebiges Frühstück. Danach noch mal kurz entspannt, umgezogen und ab zum Schwimmstart.

Start war 9.45 Uhr. Beim Eintreffen in den Startbereich waren es schon 25 Grad Lufttemperatur, das Wasser hatte 22,5 Grad. Neo war also erlaubt. Die ca. 2000 Starter haben sich dann gemäß ihrer zu erwartenden Schwimmzeit in Blöcke einsortiert. Die Schnellsten ganz vorn, die Langsamsten ganz hinten. Die Blöcke waren in 5-Minuten-Abschnitte gegliedert. Der Start ging pünktlich los, alle 5 s wurden 4 Schwimmer ins Wasser gelassen. Die Zeitnahme erfolgte erst beim Überlaufen der Matte.

Ich hatte mich ca. 10 min vor meinem Start dann komplett angezogen. Die Sonne brannte gnadenlos. Der Schweiß rann mir aus der Badekappe raus und ich war kurz davor, schon vor dem Start zu kollabieren. Ich drängelte mich vor, Rumgemaule war mir jetzt egal. Ich mußte ins Wasser, mich abkühlen. Dann endlich war ich dran und es ging ab. Boah, herrlich, erst mal langsam runterkühlen. Der rollende Start war super, jede Menge Platz und kein Gekloppe. Nach 300 m war ich dann temperaturmäßig, körperlich und mental auf Kurs. Und es ging gut, fast schon schnell für mich als Nichtschwimmer. Und ich überholte (!). Na, dachte ich, da haben doch einige ganz schön geschummelt beim Einsortieren. Sogar sehr langsame Brustschwimmer waren dabei. Allerdings haben die sich keinen Gefallen getan. Ich selbst habe jemanden komplett "überschwommen". Konnte den Kollegen aber auch nicht sehen, die Wasserqualität bot ja 0-Sichtweite. Zur Abwechslung roch es diesmal nicht nach Kloake sondern nach Diesel und Dieselabgas. Es wehte auch kein Lüftchen, spiegelglattes Wasser. Ich war gut im Rhythmus, hatte Platz und empfand mich als "schnell". Als ich aus dem Wasser stieg, waren die vor mir laufenden Athleten anzahlmäßig sehr übersichtlich.

Es mußten ca. 300 m bis zum Wechselzone zurückgelegt werden. Auf diesem Weg konnte ich meinen neu erworbenen Einteiler mit halben Ärmeln schon anpulen, das habe ich am Barleber See geübt. Sorry Grammi, daß ich mich gegen den MTC-Einteiler entschieden hatte. Wenn es bewölkt gewesen wäre, kein Problem. Wäre Ehrensache gewesen. Aber bei der vorherrschenden Sonneneinstrahlung hätte ich mir damit zu sehr das Fell verbrannt.

Aber weiter ... Nach dem Umziehen lief ich mit meinen Schuhen in der Hand zum Rad. Mein erster Gedanke beim Einlaufen: Boah, (gefühlt) noch ALLE Räder da ... . Na dann, Schuhe an, Rad geschnappt und raus. Von der Wechselzone ging es auf den bereits beschriebenen Highway. Und nun haltet Euch fest. Die Jungs haben doch tatsächlich den 4-6 spurigen 22 km langen Highway beidseitig, inklusive zweier Tunnel und einer Hauptbrücke, komplett für die Veranstaltung gesperrt. Überall Zäune (!!!) oder natürliche, undurchdringbare Hindernisse. Dazu stand alle 100 m ein Uniformierter und hat aufgepaßt, daß da nicht mal eine Maus mehr durchkommt. Am Vortag sind mehrere Wassersprengwagen die Strecke abgefahren und haben mit einer Art Kärcher den letzten Krümel Dreck von der Strecke geblasen. ... manchmal (aber nur manchmal!) haben Diktaturen auch Vorteile ... . Es gab auf den gesamten 90 km nur 10 Kurven mit riesigen Radien. Bremsen? Hartes Anfahren? Brauchte ich nicht. Ich mußte nur reinlatschen und konnte die gesamte Zeit in der Aeroposition bleiben. Genau nach meinem Geschmack.

Aber zurück zum Rennen. Ich hatte mir ja vorgenommen, mir das Rennen gut einzuteilen und anfangs nicht gleich loszublasen. Aber es ging nicht. Nach 2-3 km war alles locker, ich fuhr ohne gefühlte Anstrengung. Und ich überholte ... überholte ... überholte. Bei km 20 vor der sehr großen Brücke (Länge mit An- und Abstieg ca. 800 m, Höhe ca. 30-40 m) zeigte mein Tacho 39,9 km/h Schnitt. Da wußte ich, "Jani, Du mußt Tempo rausnehmen ... ". Durch die Brückenauffahrt nun etwas gebremst, nahm ich im Anschluß auch etwas Speed raus. Aber die Überholvorgänge blieben, es war herrlich. Ich wußte, daß die Referees das Drafting gnadenlos pfeifen. Hinter mir (!) pfiff es andauernd. Ich habe mich auch immer beeilt, schnell und regelkonform an den vor mir fahrenden Athleten vorbeizukommen. Ja und irgendwann auf der ersten Runde (es sind 2x45 km zu fahren gewesen) war niemand mehr vor mir zu sehen, goil. Mit dem Beginn der 2. Runde wurde es etwas lebhafter, da hier dann auch die langsameren Schwimmer auf den Radsplit gingen. Die Hälfte der Strecke war geschafft, und ich wußte, ich muß vorn liegen, weit vorn. Entsprechend motiviert ging ich die 2. Runde an. Ich kam in einen regelrechten Überholrausch (so etwas wie Jagtinstinkt), und ich war immer noch schnell (38,5 km/h Schnitt).

Auf den letzten 25 km mußte die Brücke noch 2x passiert werden. Das war der einzig nennenswerte Anstieg, bei dem ich die Kassette voll ausreizen mußte. Auf den letzten 5 km machte sich dann doch eine gewisse Erschöpfung breit. Erschrocken war ich, daß beim Strecken der Beine (so mal als Entlastung) krampfartige Schmerzen oberhalb der Knien auftraten. Das hatte ich noch nie. O.k., dicke Gänge raus, Trittfrequenz erhöhen. Und so kam ich dann nach 90 km wieder zur Wechselzone. Auf dem Tacho standen 38,1 km/h, goil. Ich bin während des gesamten Radsplits nicht einmal überholt worden, klasse. Und dann: Boah, (gefühlt) noch KEINE Räder da ... . Rad angehangen, Schuhe aus, im Galopp den 2. Umziehbeutel geschnappt und ab ins Zelt. Umgezogen, raus, Beutel auf den vorhandenen Berg geworfen und ab auf die Laufstrecke. Die beim radeln aufgetretenen, krampfartigen Schmerzen kamen wieder. Ich ließ es erst einmal locker angehen, erfahrungsgemäß geht es nach 1-2 km dann etwas besser. Diesmal aber leider nicht. Ich bin dann an der Schmerzgrenze gelaufen, immer kurz vor dem Muskelkollaps.

An den Verpflegungsstellen nahm ich alles was ich kriegen konnte, vorwiegend Cola. Erfahrungsgemäß sind die Krämpfe bei mir auf Flüssigkeits- und Mineralienverlust zurückzuführen. Und es war ja warm, 29 Grad bei 86% Luftfeuchtigkeit. Also Flüssigkeit reingeschüttet. Es wurde auch etwas besser und ich habe dann meinen Rhythmus an der besagten Schmerzgrenze gefunden. Es sind drei Runden a‘ 7 km zu absolvieren gewesen.

Auf Runde 2 wurde es dann deutlich voller. Meine Befürchtung, hier auf einer emotionslosen Laufstrecke zu sein, wurde nicht bestätigt. Dazu trugen schon die vielen Einzelschicksale bei. Wankende Gestalten mit "toten" Gesichtern, sitzende und liegende "Leichen" im Grünstreifen, Läufer mit langen Gehpausen, sich dehnende Athleten ... Es war alles dabei. Die an zweiter Stelle liegende Profi-Frau hat vor laufender Kamera schlapp gemacht. Sie ist dann noch ein Stück weitergelaufen, hat dann aber aufgegeben und wurde mit einem Wägelchen abgeholt. Kreislaufkollaps. Es war aber auch heiß. Auch Kuriositäten wie "Anstehen am Dixiklo" waren auf der Laufstrecke zu beobachten. Hauptaugenmerk galt aber meinen Beinen, jetzt bloß nicht mehr verletzen. Auf der 3. Runde bei km 18 wollte ich meinen Schlußspurt anziehen, wurde aber schon einen Kilometer weiter von der Realität eingeholt. Die Krämpfe auf der Vorderseite der Oberschenkel gingen jetzt auch zu den wohlbekannten Stellen auf der Rückseite der Oberschenkel über. Tempo raus, locker werden, jetzt nicht noch auf den letzten Metern verrecken. Kondition war da, das merkte und wußte ich. Aber es nützt ja nichts, wenn die Beine nicht mitspielen. Dann der Zieleinlauf: Einteiler schließen, Startnummer gerade rücken und durch. Geschafft.

Ich hatte dann meinen "privaten" Betreuer, der drückte mir erst einmal eine Flasche Wasser in die Hand, holte und überreichte mir mein Finishershirt und geleitete mich zum Stand mit der Zielverpflegung. Aber essen konnte ich jetzt nichts. Ich verließ dann den Zielbereich und traf dann auch gleich auf Doreen. Sie sagte mir die Zeit: 4:58:21 h. Ich war sichtlich enttäuscht, denn ich hatte die von mir angepeilte Zielzeit von 4:30:00 deutlich verfehlt. Na ja, war nicht zu ändern. Ich wackelte mit schweren Beinen ins Hotel zurück. Erst mal aus den Klamotten raus, duschen und entspannen. Doreen fieberte derweil noch mit anderen Athletenfrauen an der Rennstrecke mit. Habe dann 2 h später die Kleidersäcke und das Rad abgeholt.

Vorläufige Ergebnislisten haben wir nirgends gefunden. Da viele Internetseiten von China aus nicht abrufbar sind, hatte Doreen derweil mit unserem Töchterchen in Deutschland Kontakt aufgenommen. Von da kam dann die Mitteilung: Platz 6 in der AK. Meine Stimmung fiel ... Es wird wohl nicht reichen. Wir sind dann aber trotzdem zur Siegerehrung und Slotzeremonie gegangen. Da sollte es auch noch mal "gutes Futter" geben. Kurz darauf kam dann bei mir der nächste Stimmungsumschwung, diesmal in die andere Richtung. Wir erfuhren, daß insgesamt 6 Slots in der AK 50-54 ausgeschrieben sind, 3 für Hawaii und 3 für die 70.3 WM in Chattanooga (Tennessee/USA). Und man mußte sich entscheiden, beide Veranstaltungen waren nicht möglich. Zwischenzeitlich erfuhr ich, daß ich sogar auf Platz 5 stehe, da der zuerst Führende zwei Runden zuwenig gelaufen war und aus der Wertung genommen worden ist. O.k. wenn nicht Hawaii, dann eben Chattanooga. Ich werde nicht mit leeren Händen abreisen, das stand jetzt fest. Bei der Slotvergabe für Kona ging noch einmal der Puls in die Höhe, da der Drittplazierte verzichtete. Aber der Vierplazierte ließ sich diese Chance nicht entgehen. So bin ich knapp am großen Ziel vorbeigeschrammt. Aber das war jetzt nicht mehr schlimm. Und endlich kam auch der herbeigesehnte Moment: "... Slot for Chattanooga, yes or no: Jan Roeder, Germany". Ja, und dann stand ich auf der Bühne mit dem Ticket in der Hand. Es war ein überwältigender Moment.

Danach ging alles sehr schnell. Identifikation, persönliche Angaben überprüfen, Kreditkarte zücken, fertig. Ja, die Startgebühr wird einem gleich an Ort und Stelle abgenommen.

Und so hatte der Tag dann noch ein versöhnliches Ende. Ich bin sehr glücklich und könnte mir selber Blumen schenken.

Montag der 14.11.2016, es ist der 12. Tag

Auch wenn es nur eine Halbdistanz gewesen ist, steckt mir der Wettkampf doch ganz schön in den Knochen. Ich war nicht so im Eimer wie nach einer Langdistanz, hatte aber einen schönen Muskelkater in den Oberschenkeln. Wir haben heute noch einmal ein paar Sehenswürdigkeiten besucht, nichts spektakuläres.

Habe dann noch das Rad zerlegt, alles schön geputzt und schon reisefertig verstaut. Wir sind jetzt lange genug in Xiamen gewesen und bereiteten uns schon innerlich auf die Heimreise vor.

 

 

 

Dienstag der 15.11.2016, es ist der 13. Tag

Der Flieger geht erst um 0.00 Uhr, wir haben also noch einen kompletten Tag. Haben nur noch relaxt und waren im hoteleigenen Pool. Transfer zum Flughafen diesmal mit dem Hotelshuttle, also ohne großen Aufwand mit der Bike-Kiste. Check-In alles ohne Probleme.

11 Stunden Flug bis Amsterdam. Nach einem kurzen Aufenthalt ging es weiter nach Berlin. Gepäck war alles heil angekommen. Im reservierten Mietwagen ging es dann nach Hause, wo das Abenteuer „China“ dann ein glückliches Ende fand.

 

 

Resümee:

Der doch enorme Aufwand für einen IM 70.3-Wettkampf in China hat sich gelohnt. Die erreichte Finisherzeit war auf den ersten Blick nicht besonders gut. Allerdings muß man hierbei berücksichtigen, daß die Schwimmstrecke ca. 2.150 m betrug, als rund 250 m länger war als üblich. Des weiteren sind ca. 300 m von Schwimmausstieg bis zur Wechselzone zurückzulegen gewesen. In der Wechselzone selbst bis zur Radausgang waren es auch noch einmal rund 200 m. Also ziemlich viel Weg, welcher natürlich in die Gesamtzeit mit einging. Beim Laufsplit wären sicher ein paar Minuten zu holen gewesen, allerdings wurde ich hier durch die bereits beschriebenen Krämpfe eingebremst.

Auch wenn es für Hawaii nicht ganz gereicht hat, bin ich mit der Qualifikation für die 70.3-WM in Chattanooga/USA sehr zufrieden. Rückblickend betrachtet, hätte ich beim IM in Kalmar/Schweden eine Quali nicht geschafft. Die dort in diesem Jahr erzielten Finisherzeiten in der AK50 waren außerhalb meines Leistungsvermögens. Und so konnte dem Radunfall mit einem Schlüsselbeinbruch auch etwas Gutes abgerungen werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch bedanken. An erster Stelle steht hier meine Frau Doreen. Sie hat mich als Partnerin, Coach, Organisatorin, Köchin, Hausfrau, Mutter und Geliebte in allen Belangen unterstützt. Ohne sie wäre die ganze Aktion nicht möglich gewesen.

Des weiteren möchte ich Volker und Bernd nebst Partnerinnen erwähnen, welche mich während meiner Krankheitsphase moralisch unterstützten.

Dank auch an alle MTC-Mitglieder und Freunde, welche am Live-Ticker mitfieberten und mit Herzblut die Daumen drückten. Besonders ist hier Grammi hervorzuheben, der sogar seine Hand-OP vorverlegte, um auch den zweiten Daumen am Raceday einsatzbereit zu haben.

Der MTC ist eine tolle Truppe. Ich bin froh und stolz, diesem Verein anzugehören.

 

 

 

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