Ironman WM 70.3 Chattanooga

von Jan Roeder

Ein Erlebnisbericht von Jan

Liebe Freunde,

es ist nun schon ein paar Wochen her: Mein Saisonhöhepunkt, die 70.3 WM in Chattanooga. Ich hatte den Erlebnisbericht zeitnah angefangen zu schreiben, bin dann aber irgendwie doch davon abgekommen. Nachdem aber immer wieder Fragen von einigen Sportsfreunden zu diesem Event gestellt worden sind, habe ich mich jetzt aufgerafft und den Bericht vollendet.

Nach der Qualifikation im November 2016 (Xiamen in China) war es jetzt soweit. Die WM in der Ironman-Halbdistanz stand an. Am 09.09. für die Damen (1750 qualifizierte Teilnehmerinnen) und am 10.09. für die Herren (2870 qualifizierte Teilnehmer).
Unser kleines Team bestand aus meiner Frau Doreen und mir, sowie Bernd und Sabine Schultz als Unterstützer.
Doreen hatte sich wieder einmal rührend um fast alle organisatorischen Belange gekümmert. Anreise, Unterkunft, Radtransport ... es hat alles geklappt. Wir reisten eine Woche vor dem Wettkampf an und bezogen ein schönes Haus am Tennessee River, nur 15 Fahrminuten von der Eventzone entfernt.

Nach 2 Tagen Akklimatisierung, die Zeitverschiebung betrug 6 Stunden, wagte ich mich dann zu einer 90 km - Trainingsrunde auf die Radstrecke. Ich hatte mir im Vorfeld einen GPS-Track erstellt, den ich dann abfuhr. Mit dem Gefühl, doch ganz ordentlich trainiert zu haben, wurde ich aber schon nach wenigen Kilometern auf den Boden der Realität zurückgeholt. Es ging schon bald steil nach oben. Pedalieren im ersten Gang war angesagt, und an einigen Stellen war ich kurz vor dem absteigen. Zermürbend, der Anstieg nahm kein Ende. Hinzu kamen die an diesem Tag sehr hohen Temperaturen (29 Grad), dazu hohe Luftfeuchtigkeit und starker, böiger Wind. Nach ca. 8 km wurde es dann etwas flacher, es ging aber immer noch aufwärts mit wiederkehrenden, lang angezogenen Steigungen. Nach dem Blick auf den Tacho fiel meine Laune komplett in den Keller. An persönliche Bestzeiten auf diesem Kurs war nicht zu denken. Nach ca. 35 km ging es für ca. 5 km ziemlich steil und langgezogen bergab. Ich hatte hinten ein Scheibenrad montiert. Zusammen mit dem Fahrtwind bei knapp 70 km/h und dem böigen Seitenwinden empfand ich die Abfahrt als lebensgefährlich. Zum Glück war die Piste sehr breit und alle Kurven sind mit riesigen Radien versehen gewesen. Das Oberrohr zwischen die Beine geklemmt und verkrampft am Lenker festgebissen, bin ich dann heil von dem Gebirgszug wieder heruntergekommen. Der Rest der Runde war vom Profil her eher abfallend, wurde aber durch den teilweise sehr rauen Asphalt und dem böig wehenden Wind nicht unbedingt entspannter. Völlig kaputt erreichte ich dann wieder den Stadtrand von Chattanooga. Auf dem Tacho stand ein Schnitt von 28,9 km/h ... Mir war nach einpacken und abreisen zumute. Mein Betreuerteam hatte alle Hände voll zu tun, mich moralisch wieder aufzubauen.

Für den nächsten Tag hatte ich mir die Inspektion der Laufstrecke vorgenommen, eine von später zwei zu absolvierenden Runden. Auch hier hatte ich mir die Strecke als GPS-Track auf meine Laufuhr übertragen. Schon nach wenigen hundert Metern hatte ich das Gefühl, daß ich vielleicht Fehler bei der Routenerstellung gemacht habe. Der Track führte mich auf den Randstreifen vom Highway 54. Es war nirgendwo ein Läufer zu sehen, Autos und LKW's donnerten vorbei ... Ich bin kurze Zeit später an einer Brücke heruntergekrabbelt, bloß runter vom Highway. Auf dem Parallelweg vom Highway sind dann aber schon aufgeklebte Orientierungspfeile zu sehen gewesen, allerdings zeigten diese nicht in meine Laufrichtung. Ich bin erst einmal weiter gelaufen, mal sehen, wo diese Pfeile herkommen. Und tatsächlich, nach ca. 2 km, kam ein Abzweig - auf den Highway. Ich bin also richtig unterwegs gewesen, die Laufstrecke ging über den Randstreifen einer später dann einseitig gesperrten Schnellstraße. Also noch mal umgedreht und die Runde gemütlich abgelaufen. Es waren einige Höhenmeter drin, immer wieder langgezogene An- und Abstiege. Die Krafteinteilung über das gesamte Rennen wird entscheidend sein, sonst kommt in der 2. Runde der Scharfrichter. Das wußte ich jetzt.

Zum Schwimmtraining bin ich jeden Tag im Tennessee-River gewesen. Da konnte man direkt an unserer Unterkunft einsteigen oder wir sind zu einer öffentlichen Badestelle gefahren. Die Strömung im Fluß war deutlich wahrnehmbar, auch hier würde es also nicht unbedingt leicht sein.
Soviel zur sportlichen Vorbereitung. In der Zwischenzeit erkundeten wir Chattanooga und Umgebung. Es ist ja doch vieles anders als bei uns, vor allem aber größer und gegensätzlicher.

Samstag, am Tag des Damenrennens haben wir noch einmal die Wechselzone mit ihren Besonderheiten inspiziert. Einchecken war problemlos, man wollte nur den Helm sehen. Ich habe das Rad komplett rennbereit gemacht, inklusive gefüllter Trink- und Gelflasche. Somit mußte ich dann nicht mehr am nächsten Morgen in die Wechselzone und brauchte mich nur noch zum Schwimmstart einfinden.

Für meine AK war der Start um 8.52 Uhr angesetzt. So konnte die ganze Morgenprozedur in aller Ruhe gemacht werden.
Rollender Start mit Einteilung in 12 Wellen nach Altersklassen war angesagt. Innerhalb dieser Wellen konnte man sich dann noch mit der zu erwartenden Schwimmzeit einreihen. Alle 10 s hopsten 5 Starter von einem Pontonsteg ins Wasser.

Genügend Platz ist vorhanden gewesen, also kein Gekloppe. Es ging erst einmal 300 m schräg mit dem Strom, wobei man etwas gegenhalten mußte. Ansonsten trieb man zu weit von der Wendeboje ab. Danach ging es ca. 800 m stromaufwärts. Hier war ich taktisch falsch unterwegs. Anstatt mit einer etwas höheren Frequenz die Gegenströmung zu neutralisieren, bin ich mit langen gleitenden Zügen unterwegs gewesen. Nur ist Gleiten gegen die Strömung nicht besonders effektiv. Im Wasser selbst habe ich das aber gar nicht realisiert. Zurück ging es dann stromabwärts mit schönen langen Zügen, allerdings konnte der stromaufwärtige Zeitverlust nicht mehr kompensiert werden. Ohne Anstrengung und fast entspannt stieg ich dann nach 40 langen Minuten aus dem Wasser. Beim Ausziehen des Neos konnte man sich externer Hilfe bedienen. Man ließ sich auf den Rücken plumpsen, zwei junge (Helfer-) Mädels rissen einem dann den Neo förmlich vom Leibe. Ein weiterer Helfer drückte mir dann schon den Wechselbeutel in die Hand und ab ging es in die Wechselzone.

Socken und Schuhe an, Helm auf, und hin zum Rad. Durch den rollenden Start war auch in der Wechselzone kein großes Gewusel, ohne Hektik ging es dann los.

Die ersten Kilometer verliefen erst einmal flach durch Chattanooga selbst, bis es dann ab Straße 41 auf den Ochs-Highway ging. Von hier ab führte die Strecke steil nach oben. So steil, daß es einige Fahrer zu Zick-Zack-Schlangenlinien zwang, währen andere sogar abstiegen und schoben (!). Ich war nicht überrascht, denn auf meiner Trainingsrunde hatte ich mit diesem Anstieg ja schon einmal Bekanntschaft gemacht. Im ersten und zweiten Gang, aber mit noch ganz passabler Trittfrequenz ging es ca. 8 km stetig bergauf. Ich überholte dabei sehr viele Fahrer, so daß sich auch bei dieser relativ langsamen Geschwindigkeit ein gutes Gefühl einstellte. Endlich den Gebirgszug erklommen, ging es dann in langgezogenen Wellen auf und ab, wobei es insgesamt gesehen immer noch aufwärts ging. Auch hier konnte ich Boden zu vor mir liegenden Fahrern gutmachen, ich kam langsam in Schwung.

Auf der ca. 5 km langen Abfahrt war ich dann entspannter als im Training. Auch hier lag die Höchstgeschwindigkeit wieder bei über 70 km/h, jedoch war es nur schwach windig. Etwas mulmig war mir aber trotzdem, da mir derartig steile und langgezogene Abfahrten fremd sind. Bloß gut, daß die Straße hier in einem ganz guten Zustand war, mit großen Radien und wenig Verkehr. Bremsen brauchte man hier kaum. Jetzt ging es tendenziell bergab, ich kam immer besser in Fahrt. Obacht habe ich darauf gegeben, nicht zu dicht auf den Vordermann aufzufahren und Überholmanöver zügig abzuschließen. Die motorisierten Schiedsrichter, und es gab viele davon, pfiffen gnadenlos. Nee, die 5 min Zeitstrafe wollte ich nicht abfangen. Jetzt begann ich auch ab und zu auf den Tacho zu schielen. Die stetige Verbesserung der Durchschnittsgeschwindigkeit stimmte mich versöhnlich. Bis zur Wechselzone habe ich noch dutzende Fahrer überholt, manchmal ganze Pulks auf einmal. Sooo schlecht konnte ich als nicht unterwegs gewesen sein. Dann kamen auch langsam die vorgelagerten Bezirke von Chattanooga in Sicht.

Ich legte noch einmal etwas zu, so daß ich auch auf dem letzten Abschnitt Boden gutmachen konnte. Von den hier überholten Fahrern waren einige schon ziemlich langsam unterwegs. Ich glaube, da haben sich etliche Teilnehmer mit dem Streckenprofil etwas verzockt. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,9 km/h war ich dann letztendlich doch zufrieden, kein Vergleich mit meiner Trainingsrunde vom vorherigen Dienstag.

Der zweite Wechsel ging reibungslos. Das Rad wurde einem abgenommen, Wechselbeutel geschnappt, Schuhe gewechselt und ab ging es auf die Laufstrecke.

Auf den ersten beiden Kilometern ging der Puls dann doch etwas hoch, das war die Umstellung auf den anderen Bewegungsablauf. Aber ich hatte zu Hause einige Male Koppeltraining in das Vorbereitungsprogramm mit eingebaut. So kam ich bald in einen guten Rhythmus. Es sind 2 Runden zu laufen gewesen, wobei sich langgezogene An- und Abstiege immer wieder abwechselten. Erstaunlicherweise kam ich mit den Anstiegen ganz gut zurecht und konnte mich bei den Abstiegen sogar etwas erholen. Die Verpflegungsstellen waren gut platziert. Ich schüttete alles rein, was ich bekommen konnte … Cola, Red Bull, Wasser ... . Doreen, Sabine und Bernd standen an der Strecke und feuerten mich an, ein schönes Gefühl.

Nachdem ich die erste Runde ganz gut weggesteckt hatte, konnte ich auf der zweiten Runde sogar noch etwas zulegen. „Der alte Motor“ lief wieder rund. Allerdings konnte ich mich nicht entschließen, das angesprungene Notstromaggregat voll auszureizen. So lief ich dann fast entspannt und locker durch das Ziel - mit dem etwas dumpfen Gefühl, nicht alles gegeben zu haben. Schwimmen verpennt, Vorsicht und Zurückhaltung auf dem Rad, kein Volldampf beim Lauf. Aber letztendlich war das nicht schlimm. Schließlich ist dies eine Weltmeisterschaft gewesen. Alle Teilnehmer mußten sich ja irgendwo qualifiziert haben und dort die Besten der AK gewesen sein. Und ich bin ja nun nicht gerade der „Burner“. Aber die Gesamtzeit von 5:10 h war nun auch nicht sooo schlecht. Ca. 1200 Starter sind noch nach mir ins Ziel gekommen. Platz 86 in der AK und bester Teilnehmer aus Magdeburg klingt dann sogar noch besser.

Im Zielbereich kümmerte sich gleich eine Helferin um mich, drückte mir eine Flasche Wasser in die Hand und begleitete mich ein paar Minuten. Als sie dann feststellte, daß alles in Ordnung ist, verschwand sie wieder. In der abgesperrten Zone konnte man dann seinen Beutel mit den Wechselsachen abholen. Allerdings vermißte ich hier vernünftige Umzieh- und Duschmöglichkeiten, da hatte wohl keiner so richtig dran gedacht. Mit einem Essen- und Getränkekupon in der Hand mußte ich dann feststellen, daß eine ca. 50 m lange Schlange von Finishern an der Zielverpflegung anstand … und es einfach nicht vorwärts ging. Na das war ja was für mich, so etwas kannte ich gar nicht. Jeder Dorftriathlon ist hier besser aufgestellt. Aber ich ließ mir dadurch meine Laune nicht verderben. Doreen hatte mich dann entdeckt und wir verbrachten die nächste Stunde mit anderen Finishern auf einer dem Zieleinlauf vorgelagerten Wiese.

Und das war’s dann auch schon. Habe dann das Rad und das restliche Gebabel abgeholt. Unser Auto war auch in der Nähe geparkt, da wurde erst einmal alles drin verstaut. Bernd und Sabine warteten im Außenbereich eines kleinen Restaurants, wo wir mit Cola und Bier auf den Abschluß des Events anstießen. Wir blieben noch 2 Tage in Chattanooga und wechselten dann für die restlichen 4 Tage unseren Aufenthaltsort. In einem kleinen Urlausressort innerhalb eines Seengebietes ließ es sich noch gut aushalten und entspannen, bis es dann über Atlanta, Paris und Berlin wieder nach Hause ging.

Es war ein gutes Gefühl, sich einmal mit den weltweit besten Athleten gemessen zu haben, auch wenn es bei mir nur um „Dabeisein ist alles“ ging. Inspiriert von diesem großartigen Event sind schon neue, langfristig ausgelegte Pläne geschmiedet worden. Ich halte Euch auf dem laufenden.

Das war der Bericht von Jan

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